Herz- Lungenkrankheiten und Reisen

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Auf Langstreckenflügen sind heute immer häufiger Ältere und Menschen mit chronischen Herzerkrankungen unterwegs. Bei rechtzeitiger Planung und Patientenschulung (vier bis sechs Wochen) sind auch sehr weite Flugreisen für kardiologische Patienten heute kein Problem mehr. Ein britisches Expertenkommitee hat – basierend auf den wenigen verfügbaren Studien zum Einfluss des Reisens auf kardiale Erkrankungen – entsprechende Empfehlungen veröffentlicht (Smith et al.: Heart 2010; 96: ii 1-ii 16; Doi: 10.1136/hrt2010.203091).

Verändertes Milieu in der Druckkabine eines Großraumflugzeuges: Bei der üblichen Reiseflughöhe bis 13 500 m beträgt die sogenannte Kabinendruckhöhe maximal 2 400 m. Der Luftdruck von 760 mmHg in Meereshöhe sinkt in der Kabine auf 567 mmHg, der O2-Partialdruck im Blut beim Gesunden auf circa 66–71 mmHg und die O2-Sättigung auf circa 91 Prozent. Die Relative Luftfeuchte beträgt nur fünf bis 15 Prozent.

Diese leichte hypobare Hypoxie kompensiert ein Gesunder vollständig durch leichte Hyperventilation und leichte Tachykardie zur Aufrechterhaltung des HZV. Die Myokardperfusion ist in Ruhe sogar verbessert, jedoch sinken Koronarreserve und damit die Belastbarkeit um 15 Prozent pro 1 000 Höhenmeter.

Dies kann bei eingeschränkter kardialer Reserve zu Problemen führen. Da die milde Hypoxie eine periphere Vasodilatation verursacht, wirkt Nitrolingual in der Höhe stärker, sodass beim Anginapectoris-Anfall ein Hub ausreicht. Die alveoläre Hypoxie führt kompensatorisch zur Drosselung der Lungenperfusion (Euler-Liljestrand-Mechanismus) und kann bei disponierten Personen eine Rechtsherzdekompensation auslösen. Als flugreisetauglich gilt ein Patient:

wenn sich die Herzerkrankung stabilisiert hat und der Betroffene 50 m ohne Hilfe beschwerdefrei in der Ebene gehen oder zehn bis zwölf Stufen steigen kann,
wenn die Lungenfunktion folgende Minimalwerte aufweist: SO2: 88–90 Prozent, pO2: 70 mmHg, Vitalkapazität: 3 Liter und FEV1: 70 Prozent.
In jedem Fall sollte bei reduzierter kardiopulmonaler Leistungsfähigkeit oder nach kurz zurückliegendem kardialen Eingriff das Risiko einer Verschlechterung der Herzerkrankung vor der Flugreise vom Kardiologen abgeschätzt werden.

Auswirkungen der milden Hypoxie bei einer Flugreise < 12 h Dauer
Myokardischämie: Ist keine kritische Ischämie in Meereshöhe vorhanden, hat die Hypoxie keinen oder nur einen minimalen Effekt. In der Ergometrie ist die individuelle symptomlimitierte Belastungsgrenze feststellbar.

Herzinsuffizienz: Flugzeiten bis sieben Stunden Dauer werden von NYHA-II-Patienten gut toleriert. Bei schwerer, aber stabiler NYHA-III-IV-Herzinsuffizienz ist eine Flugzeit bis zu einer Stunde unter bestimmten Vorkehrungen möglich.

Herzrhythmusstörungen und Schrittmacher: Die milde Hypoxie hat in der Regel keine relevanten Auswirkungen auf Herzrhythmusstörungen und die Schrittmacherfunktion. Das Risiko klinisch relevanter elektromagnetischer Interferenz durch HF, VHF- und Mikrowellenbänder im Flugzeug bei implantierten PM/ICDs ist minimal. Der Einfluss der Vibration während des Fliegens auf die Herzfrequenzadaptation eines PM ist bei Flächenflugzeugen gering. Allerdings: Bei Flügen mit dem Helikopter ist der Einfluss der Vibration relevant und eine vorherige Umprogrammierung zu erwägen.

Thromboserisiko: Langandauerndes Reisen im Sitzen über vier Stunden Dauer ist ein schwacher Risikofaktor. Bei genetischer Vorbelastung oder erworbenen Risikofaktoren ist das Thromboserisiko gesteigert (unter anderem bei Herzinsuffizienz, kürzlich zurückliegender > 30 Minuten dauernder Operation).

Reisetauglichkeit nach kardialen Ereignissen und Eingriffen
Nach individueller kardialer Risikostratifikation können drei Gruppen unterschieden werden:

Sehr niedriges Risiko: Eine Flugreise ist sicher drei Tage nach akutem Koronarsyndrom (ACS) bei Patienten unter 65 Jahren, erstem Ereignis, erfolgreicher Reperfusion, Ejektionsfraktion > 45 Prozent, keinen Komplikationen und keiner weiteren geplanten Intervention.

Niedriges bis intermediäres Risiko: Eine Flugreise sollte frühestens erst zehn Tage nach ACS angetreten werden, wenn die Ejektionsfraktion > 40 Prozent liegt, keine Herzinsuffizienz-Symptome, keine induzierbare Ischämie oder Rhythmusstörungen vorliegen, keine Intervention geplant ist.

Hohes Risiko: Eine Stabilisierung der Gesamtsituation bis zur Flugreise sollte abgewartet werden, wenn die Ejektionsfraktion < 40 Prozent liegt, Zeichen und Symptome der Herzinsuffizienz vorliegen sowie eine Revaskularisation oder Devicetherapie geplant ist.

Nach unkomplizierter Herzkatheteruntersuchung kann bei unauffälligem Zugangsweg 24 Stunden später gereist werden. Nach elektiver PCI sollte je nach Komplexität des Eingriffs wenigstens zwei bis drei Tage bis zur Flugreise abgewartet und der behandelnde Kardiologe befragt werden. Zu bedenken sind Leistenkomplikation, Niereninsuffizienz, Verschlechterung einer Herzinsuffizienz und die Möglichkeit einer akuten Stentthrombose.

Nach einem großen herzchirurgischen Eingriff ist die Flugreisetauglichkeit individuell zu entscheiden. Es muss sichergestellt sein, dass die bei der Thorakotomie in den Thoraxraum eingedrungene Luft vollständig resorbiert ist (Ausdehnung in der Höhe bis zu 60 Prozent). Das dauert bis zu 14 Tage. Postoperative Probleme wie Arrhythmien, Pleuraerguss, Wundinfektion, Anämie (Grenze 9 mg/dL) und postoperativ eingeschränkte Pumpfunktion verlängern die Zeit bis zur Flugreisetauglichkeit auf sechs Wochen oder mehr. Falls früh postoperativ gereist werden sollte, ist Assistenz wie Rollstuhl oder Gepäcktransport zu beantragen (MEDA-Formular).

Nach akuter Linksherzdekompensation sollte bis zu sechs Wochen mit dem Fliegen gewartet werden.

Bei chronisch stabiler Herzinsuffizienz (Ursache vorher abklären) bis Stadium NYHA II besteht volle Flugreisetauglichkeit – auch auf Langstreckenflügen. Kardiologische Voruntersuchungen inklusive Echokardiografie, Ergometrie und gegebenenfalls Lungenfunktion mit Blutgasanalyse sind empfohlen.

Bei schwerer Herzinsuffizienz (NYHA III) sollten Assistenz am Flughafen und gegebenenfalls in-flight-Sauerstoff beantragt werden (MEDA-Formular). NYHA-IV-Patienten können nur im Rahmen einer Repatriierung mit Arztbegleitung fliegen.

Herzrhythmusstörungen (HRST) sind häufig und meist harmlos. Passagiere ohne relevante Symptome, mit geeigneter Rhythmuskontrolle bei Vorhofflimmern und mit seltenen symptomatischen Rhythmusepisoden sind flugreisetauglich. Reisestress sollte vermieden werden. Bei hämodynamisch relevanten und häufigen HRST besteht Untauglichkeit.

Bedrohliche ventrikuläre HRST müssen medikamentös oder per implantierbarem Kardioverter-Defibrillator (AICD) behandelt sein. Ein bestehende und funktionierende antiarrhythmische Therapie sollte in den letzten vier Wochen vor Reiseantritt nicht umgestellt werden (cave: Proarrhythmie). Bei Flugangst, Stress und bekannten HRST ist die Einmalgabe eines ß-Blockers eine Stunde vor Reiseantritt wirksam.

Nach einer elektrophysiologischen Untersuchung ohne/mit Ablation, bei der einige Katheter längere Zeit in der Femoralvene gelegen haben, sollte der Passagier bei einer Flugreise in den ersten vier Wochen danach eine TVT-Prophylaxe erhalten.

Nach frischer Herzschrittmacher- oder ICD-Implantation kann nach Ausschluss eines Pneumothorax zwei Tage später geflogen werden. Vor einer längeren Flugreise ist eine Kontrolle durchzuführen. Das Risiko klinisch relevanter elektromagnetischer Interferenz (Personenschleusen) ist bei den modernen Devices mit bipolaren Elektroden sehr gering. Trotzdem sollte man sich manuell untersuchen lassen. Sehr selten kann kosmische Strahlung bei Transkontinental-Flügen einen Programm-Reset verursachen, der am Warnton des Gerätes angezeigt wird. Die potenziell lebensrettende Therapie wurde dabei nie beeinträchtigt. Dennoch sollten den Reisenden die Kontaktadressen der Firmenniederlassung oder einer Klinik im Ausland bekannt sein.

Patienten mit einfachen angeborenen Herzfehlern sind in der Regel flugreisetauglich, sofern kein Lungenhochdruck vorhanden ist. Bei schweren zyanotischen Vitien ist heute das Reisen mit entsprechenden Vorkehrungen ebenfalls möglich, da diese Personen aufgrund der Rechtsverschiebung der O2-Bindungskurve im Flugzeug nicht durch einen zusätzlichen Sauerstoffmangel gefährdet sind. Vielmehr benötigen sie Assistenz am Airport, sollten Stress vermeiden, viel trinken, mobil bleiben und wegen des hohen Hämatokrits eine TVT-Prophylaxe erhalten. ▄

Dr. med. Ilse Janicke
Prof. Dr. med. Wolfgang Schöls
Herzzentrum Duisburg

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Und der Artikel findet sich hier:
http://www.aerzteblatt.de/archiv/16...kardiologische-Patient-vor-und-auf-Flugreisen
 
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